"Das habe ich in 20 Jahren noch nie erlebt!"

29. September 2019

Weißhaidinger-Coach nimmt zur Diskus-Affäre Stellung

 
 
 
 
 
 
 

Die IAAF-Weltmeisterschaft in Doha hat aus österreichischer Sicht ein neues Hauptthema: die Diskus-Affäre. ÖLV-Sportdirektor Gregor Högler legte noch am späten Samstagabend bei der IAAF gegen die Nicht-Zulassung des gewohnten Wurfgerätes von Lukas Weißhaidinger Protest ein. Auch die Schweden haben die Entscheidung angefochten. Aber die IAAF gab nicht nach und lehnte den Protest ab. Insgesamt waren im Rahmen der Qualifikation sechs Disken nicht zugelassen worden, darunter jene vom Weltranglisten-Leader Daniel Stahl, Simon Pettersson (beide SWE) und Ex-Weltmeister Piotr Malachowski (POL). Sonntag nahm der Weißhaidinger-Coach im ÖLV-Teamhotel erstmals zu der Causa Stellung.

Wie bewertest Du das Vorgehen der IAAF mit ein paar Stunden Abstand? Was stört Dich konkret an der Entscheidung?
Gregor Högler: "Die IAAF misst bei den eigenen Events mit zweierlei Maß. Wir haben den schwarzen Diskus, Produktname: Black Dynamite, das ganze Jahr über eingesetzt - darunter bei allen Diamond-League-Meetings, auch beim Finale in Brüssel. Seit Brüssel haben wir den Diskus nicht mehr hergenommen. Warum soll er jetzt plötzlich beschädigt sein? Und warum trifft das gleich sechs Disken von sechs Athleten und das ausgerechnet bei der WM? Wir kontrollieren unsere Wurfgeräte auf Gewicht, auf Abmessungen. Dass ein Diskus wegen einer angeblichen Ringbeschädigung abgewiesen wird, das habe ich in 20 Jahren noch nie erlebt. Die Annahme, dadurch hätte man einen besseren Griff, ist aus meiner Sicht lächerlich. Dazu kommt: Daniel Stahl hat gestern in der Qualifikation mit seinem Ersatz-Diskus das Stahlgerüst getroffen. Da hat der Diskus sicher auch was abgekriegt. Warum passiert dann nichts? Auch da misst man mit zweierlei Maß."

Wann habt Ihr davon erfahren?
Högler: "Das ist Punkt Nummer zwei, der mich konkret stört. Wir wussten bis zum Einwerfen nichts davon, wurden nicht informiert. Erst im Stadion hat Luki bemerkt, dass nur der Ersatz-Diskus aufliegt, nicht aber sein gewohnter Wettkampf-Diskus. Das war ein Schock - das halte ich nicht für fair. Auch beim Weltranglisten-Führenden Stahl in der Gruppe B hat man gesehen, wie schwer er sich mit dem Ersatzgerät getan hat."

Der schwarze Diskus wurde auch für das Finale abgewiesen. Wie hart trifft Euch die Entscheidung?
Högler: "Ich habe - ehrlich gesagt - damit gerechnet, dass der Protest nicht durchgeht. Da hätte die IAAF im Nachhinein einen Fehler eingestanden. Und wahrscheinlich hätten dann die Polen, die allesamt gescheitert sind, eine Neuaustragung angestrengt. Aber ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die Kampfrichterentscheidung ein Fehler war!"

Was heißt das konkret fürs Finale am Montag?
Högler: "Luki wird mit dem Eliminator, also mit dem grün-orangenen Ersatzgerät, werfen. Die Frage wird sein, wie wir seine Haftung, den Griff hinkriegen. Wir werden heute noch in Sachen Harz experimentieren. Damit er ja nicht abrutscht. Was ich seit gestern definitiv weiß: Luki hat Probleme mit Halbgas zu werfen. Das hat jetzt 3 Mal bei Großereignissen nicht geklappt. Bei der WM 2017 war er Zehnter in der Quali, letztes Jahr bei der EM in Berlin nur Elfter, jetzt in Doha Zwölfter. So knapp wie diesmal war's noch nie. Meine Lehre daraus: Luki muss immer voll auf Angriff werfen. Das gilt jetzt im ganz besonderen Maße für das WM-Finale. Mir wären drei ungültige lieber, als drei verhaltene Würfe."

Was kannst Du Lukas für morgen mitgeben?
Högler: "Ich werde ihn an die super Leistungen in diesem Jahr erinnern. Er ist die Nummer drei der Weltrangliste, hat heuer schon alle bis auf Daniel Stahl geschlagen. Er hat's drauf, wirklich weit zu werfen. Davon bin ich überzeugt. In Berlin bei der EM hatten wir eine ähnliche Situation, vielleicht nicht ganz so dramatisch wie diesmal. Da lief's in der Qualifikation schlecht, im Finale dann umso besser. In Berlin hat Luki seine erste Medaille gewonnen. Warum soll's also nicht auch jetzt klappen? Seine Form ist super, die Technik stimmt. Das hat man beim Einwerfen und beim dritten Versuch gesehen, der eigentlich gut war. Da ist ihm aber der Diskus aus der Hand gerutscht... Das passiert hoffentlich im Finale nicht mehr."

Welche Weite wird für eine Medaille nötig sein?
Högler: "Bis gestern hätte ich gesagt: Man muss klar über 68 Meter werfen, um in den Top-3 zu landen. Nach der durchwachsenen Qualifikation würde ich sagen: 67 m werden wahrscheinlich auch reichen. Alle Athleten haben sich mit dem Wurfkreis, mit den Bedingungen wirklich schwer getan. Die Verhältnisse sind mit jenen vom Mai in der Diamond League jedenfalls nicht mehr zu vergleichen."