Befreiungsschlag

08. Juni 2024

Nachbetrachtung der EM-Glanzvorstellung in Rom - vom Erfolgsduo Weißhaidinger/Högler

Vize-Europameister Lukas Weißhaidinger konnte nicht gleich einschlafen, auch wenn es längst nach 4 Uhr früh war. "Ich hab' mir ein ums andere Mal das Video vom Silbermedaillen-Wurf angeschaut. Ich brauch' diese vielen Wiederholungen, um den Erfolg besser verarbeiten zu können."

Knapp sechs Stunden Schlaf fand der 32-jährige Oberösterreicher dann dennoch, ehe er im Olympiastadion von Rom zur kurzen Nachbetrachtung antrat. "Diese Silbermedaille hat emotional einen sehr hohen Stellenwert, weil sie gegen extrem starke Konkurrenz entstanden ist. Ich habe den Weltrekordler (Alekna) und den Olympiasieger (Ceh) geschlagen. 67,70 m - weiter als bei allen anderen großen Events zuvor. Das heißt im Klartext: Es war die richtige Entscheidung, im Olympiajahr eine technische Veränderung beim Abwurf vorzunehmen. Seit Tokio ist es bei Großereignissen für mich nicht mehr nach Wunsch gelaufen. Weder in Eugene, noch in München und eigentlich auch nicht wirklich in Budapest. Damit wollten wir uns einfach nicht abfinden. Weil wir eine Fülle von biomechanischen Daten vorliegen hatten, haben wir uns diesen Schritt zugetraut. Ohne diese Daten hätten wir das vermutlich nicht gewagt", erzählt der frischgebackene Vize-Europameister. In seiner Stimme schwingt große Erleichterung mit.

"Nur 38 Zentimeter von Gold entfernt. Mir ist am Freitag in Rom endlich der gewünschte Befreiungsschlag gelungen, noch dazu genau zur richtigen Zeit - knappe fünf Wochen vor den Olympischen Spielen. Jetzt weiß ich: Ich kann an einem sehr guten Tag alle schlagen, auch Europameister Ceh." Nachsatz: "Das heißt aber nicht, dass ich plötzlich Favorit auf eine Medaille in Paris bin. Wenn ich auch bei Olympia am Podium stehen will, werde ich mich weiter steigern müssen. 69 m oder mehr, das wird wohl notwendig sein."

Coach Gregor Högler wird mit Lukas Weißhaidinger ab 17. Juni mit der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung für Paris starten. "Der Diskus ist im Olympiastadion von Rom noch nicht ganz nach Wunsch geflogen. Aber Lukas war im Angriffsmodus, hat all seine Erfahrung und seinen Kampfgeist ausgespielt. Nach einer Reihe von vierten, fünften und achten Plätzen tut das richtig gut. Ich bin unglaublich stolz auf ihn. Gestern hat Lukas bewiesen, dass mit ihm mit der geänderten Wurftechnik wieder stark zu rechnen ist. Dieses Signal war enorm wichtig", betont der Coach.

Lukas Weißhaidinger lächelt, wenn er darauf angesprochen wird: "Vielleicht hab' ich mit meiner Silbernen die Giganten aufgeweckt und sie geärgert. Aber ich werde alles unternehmen, sie auch in Paris ärgern zu können."

Sonntagfrüh fliegt der Diskus-Hüne nach Wien zurück, ein paar Stunden später kehrt auch Freundin Hanna aus Rom heim. Noch ist nicht entschieden, welchen genauen Platz die Silberne im gemeinsamen Wohnzimmer bekommen wird. "Auch wenn die EM-Medaille emotional sehr viel bedeutet, höher als die Olympia-Medaille will ich sie nicht platzieren, maximal auf gleicher Höhe."

Knapp eine Woche hat Lukas für diese Entscheidung Zeit, ehe die Paris-Vorbereitung so richtig anläuft.